Nachhaltige Fischkonserven, denen man vertrauen kann.
Vor kurzem haben wir unsere Partner-Fischerei und Konservenfabrik auf den Azoren besucht. Daran anknüpfend hat der deutsche Journalist Lars Langenau einen Artikel in der “Süddeutschen Zeitung” veröffentlicht, in dem er Fish4Ever und unseren Skipjack-Thunfisch vorstellt.
Wenn Sie mehr über uns, unsere Partner und den Weg unseres Naturland-zertifizierten Skipjacks vom Boot in die Konserve erfahren möchten, lesen Sie gerne den nachfolgenden Artikel.
Warum es nicht nur wichtig ist, welchen Thunfisch man isst – sondern auch, wie er gefangen wird. Zum Beispiel mit Hand und Angel. Ein Ortsbesuch bei den Azoren-Fischern (von Lars Langenau)
Thunfisch ist nicht gleich Thunfisch, und deshalb gibt es diese sehr gewissenhaften Menschen, die genau wissen wollen, woher der Fisch, der bei ihnen auf dem Tisch liegt, eigentlich kommt. Nur: Damit geht das Problem eigentlich schon los. Ursula Wagner nennt diese Leute „Hardcore Bios“ – die richtig strengen und überzeugten Bio-Konsumenten also. „Die haben echt Ahnung. Ihnen ist die Verarbeitung des Produkts von Anfang an wichtig“, sagt die Schwäbin. Zu Hause in Dettenhausen bei Tübingen betreibt sie einen kleinen Naturkostladen, einen Familienbetrieb, der „Vitamin b“ heißt und den ihre Kunden zum „besten kleinen Bioladen Deutschlands“ gewählt haben. Wohl auch deshalb hat der Bioverband Naturland die 51-Jährige auf die Azoren eingeladen, auf diese abgelegene, portugiesische Inselgruppe, wo Wagner den Verarbeitungsprozess eines der Produkte besichtigt, die sie bei „Vitamin b“ verkauft: Atlantischer Thunfisch in der Dose und im Glas. Und klar, natürlich alles in Bio-Olivenöl.
Ihr Partner auf den Azoren ist die kleine englische Firma Fish4Ever, die gerade versucht, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Und damit wirbt, „nachhaltigen Konservenfisch“ zu vertreiben, „dem man vertrauen kann“. Wagner vertraut natürlich gerne, aber ihre Kunden wollen es ganz genau wissen. Schließlich sind sie ja „Hardcore-Bios“. Also: Besser mal selbst vor Ort nachschauen, wie nachhaltig so ein Thunfischfang ist.
Willkommen also auf den Azoren, und willkommen bei einem Mann, der es richtig machen will. Zunächst mal: Kann ich Thunfisch überhaupt guten Gewissens essen? „Selbstverständlich“, sagt Charles Redfern. Der 56-Jährige ist Gründer und Chef des Unternehmens Fish4Ever, das Fische anbietet, die mit Angeln gefangen werden. „Es ist nur ein geringer Eingriff in die natürlichen Ressourcen“, ergänzt der agile Brite und wischt sich über sein ständig schief liegendes rot blondes Haar über der Brille. Auch werde so der Beifang von Haien, Delphinen oder Meeresschildkröten nahezu ausgeschlossen. „Deshalb halte ich den Fang, die lokale Verarbeitung und den Konsum dieses Thunfischs von hier ökologisch für verträglich.“
Es ist Mitte Juli, als sich die Schwäbin Ursula Wagner und der britische Unternehmer Redfern in Horta auf der Azoreninsel Faial treffen. Ort: eine Fischereikooperative. Es wird diskutiert, begutachtet, geschaut. Wagner schlendert am Hafen herum, betrachtet eine im Wasser dümpelnde gefährliche Quallenart und schließt Freundschaft mit einem lokalen Fischer, mit dem sie sich mit den Händen verständigt. Daneben Redfern, sportlich, eher der Outdoor- als der Indoor-Manager-Typ. Hochkonzentriert, neugierig, prüfend. Schließlich bezieht er von dieser Genossenschaft seine Fische, die dann wiederum in Dosen und Gläsern an Frau Wagner nach Schwaben verkauft werden.
Ganz schön viel Aufwand für einen Thunfisch, könnte man sagen. Andererseits: Thunfische sind eben doch keine Bio-Karotten und auch keine Tomaten, die man einfach mal so biologisch korrekt und nachhaltig anbauen kann, egal ob in der Toskana, auf einem bayerischen Bauernhof oder einem Balkon in Berlin-Kreuzberg. Die Sache mit dem Thunfisch ist weitaus komplexer, und das fängt schon damit an, dass es den Thunfisch gar nicht gibt.
Wie Geflügel für Huhn, Ente, Gans oder sogar Tauben steht, ist auch der Thunfisch-Begriff eine Sammelbezeichnung. Dazu kommt: Meeresfische gehören zu den wenigen Produkten, bei denen sich der Mensch massiv in einem Milliarden Jahre alten Biotop bedient, und das ging ja auch lange gut. Thunfisch jagten unsere Vorfahren schon vor Tausenden Jahren, Felsmalereien aus der Jungsteinzeit zeigen sie mit Reusen, Netzen, Speeren und Angeln. Es wurde gegessen, was gefischt wurde, und gefischt, was man zum Leben brauchte, alles überschaubar also. Hardcore-Bios gab es so gesehen früher auch schon.
Mitte des vergangenen Jahrhunderts aber begann der Raubbau, eine Art organisiert-industrieller Feldzug gegen den Thunfisch. Nach wenigen Jahrzehnten sind seine Bestände dermaßen überfischt, dass sich die Tiere gar nicht mehr so schnell fortpflanzen können, wie sie weggegessen werden. „Meine Kunden wissen viel über den Zustand des Meeres“, sagt Wagner, als sie an diesem Sommertag auf der Azoren-Insel Faial steht. Und sie wirkt dabei sehr ernst.
Von den 15 Arten, die alle Meere der Welt durchschwimmen, werden vor allem sieben kommerziell gejagt. Noch vor einem Jahrzehnt standen einige Arten vor der Ausrottung. Inzwischen hat die Weltnaturschutzorganisation IUCN vier Arten wieder von ihrer Roten Liste gestrichen. Selbst den Blauflossen-Thun, der auch Roter Thun genannt wird. Den teuersten Speisefisch der Welt, den Ursula Wagner bei „Vitamin b“ natürlich gar nicht erst anbietet.
In den Konserven von Fish4Ever steckt „Echter Bonito“, die mit einem Anteil von rund 60 Prozent weltweit am häufigsten gefangene Thunfischart. Streng biologisch gesehen zählt die Gattung eigentlich gar nicht zu den echten Thunfischen. Alles Marketing, wie beim Seelachs, der ja auch kein wirklicher Lachs ist. Aber was ist er dann, dieser Verwandte aus der Familie der Makrelen und Thunfische?
Weltweit firmiert er meist unter dem Handelsnamen Skipjack. Beliebt als Aufstrich, auf Pizza, Pasta oder im Salat. Seine Bestände gelten als nicht bedroht, obwohl auch er in allen Weltmeeren gnadenlos gejagt wird. Er ist früh geschlechtsreif, und noch dazu äußerst fruchtbar. Der Echte Bonito kann bis zu zwölf Jahre alt, 20 Kilo schwer und über einen Meter lang werden. Erkennbar ist er durch seinen dunkelblau violett schimmernden Rücken und typische dunkle Längsstreifen auf dem silbrigen Bauch.
Der Bonito ist der kleinste unter den kommerziell wichtigen Thunfischen. Illegaler Fischfang nicht eingerechnet, werden weltweit Jahr für Jahr rund sechs Millionen Tonnen Thunfisch aus den Ozeanen geholt. Auf deutschen Tellern landen davon nur etwas mehr als zwei Prozent oder etwa 65 000 Tonnen. Einer der Akteure in diesem Millionen-Tonnen-Handel: der Brite Redfern.
Er kooperiert mit Naturland, Deutschlands größtem Anbieter für ökologische Lebensmittel, der auch international tätig ist. Das ist nicht ganz unwichtig, denn der Bioverband vergibt ein eigenes Wildfisch-Siegel, das vor allem handwerkliche und vorbildliche Fischereien im Fokus hat. Auch weil es ein wachsender Markt ist. In den vergangenen beiden Jahren der Corona-Pandemie wurden in Deutschland jeweils mehr als fünf Milliarden Euro für „Meeresfrüchte“ ausgeben.
„Naturland Wildfisch hat unseren Thunfisch von den Azoren weltweit als Erstes zertifiziert“, sagt Redfern stolz. Als Banker habe er einst ein „bisschen Geld“ gemacht, sich aber in der Finanzwelt nie so wohlgefühlt, sagt er. Dazu kam eine Erbschaft. Genug jedenfalls, um vor mehr als zwanzig Jahren eine Firma für ökologisch angebaute Lebensmittel zu gründen. Und dann Fish4Ever, das heute den Hauptumsatz seiner Unternehmen trägt. Auf den Dosen seiner Fischprodukte garantiert die Firma, dass sich der Inhalt bis zum Boot zurückverfolgen lässt.
Eine Sache, die auch die Händlerin Ursula Wagner aus der Gegend von Tübingen interessiert. An jenem Juli-Tag steht sie nun im Hafen von Horta auf Faial und unterhält sich mit einem der Fischer. Sie erfährt, dass nur saisonal gefangen wird, ab März, April bis September, wenn die Schwärme dieser Raubfische an den Azoren vorbeiziehen. Dass die 31 Fischerboote der Kooperative Apasa im Morgengrauen starten, die größeren Schiffe manchmal bis zu zwei Wochen auf See bleiben und die kleineren am Abend zurückkehren.
„Wir konzentrieren uns immer auf eine Art“, erklärt ein Vertreter der Fischer. Das ist relativ einfach: Die Schwärme einer Art bleiben meist unter sich. Die Fischer von Apasa haben sich auf Echten Bonito und Weißen Thun spezialisiert. Auch Letzterer gilt, zumindest in diesem Teil des Atlantiks, als nicht bedroht. Erst recht nicht durch die hier verwendete Methode mit Angel, Leine und von Hand, auch Pole and Line, Handleine oder Angelrute genannt. Weil es eine sehr selektive Methode ist. „Wir sortieren die kleinen Fische aus und töten nie einen ganzen Schwarm,“ sagt der Mann von der Genossenschaft, bei dem Redfern seine Fische kauft.
Redferns Fischer verzichten auf einen Köder am Haken, stattdessen nutzen sie einen Trick: Spürt das Fischerboot eine Schule von Zigtausenden dieser thunfischartigen Spezies auf, sprüht es zunächst Wasser von oben ab. Der Duschschauer auf der Oberfläche des Meeres simuliert die Bewegung eines Schwarms von Sardinen oder kleineren Makrelen. Dann werfen die Portugiesen den Räubern ein paar Exemplare seiner Lieblingsbeute vor ihre immer hungrigen Mäuler. Der Schwarm flippt aus, die Tiere springen wild umher, das Wasser brodelt wie Fischsuppe. Im Rausch schnappen die Bonitos nach den Köderfischen – und nach den Haken an einfachen Ruten aus Bambus.
Dann ziehen die Männer einen nach dem anderen mit einem kräftigen Ruck aus dem Meer. Und werfen sie im Bogen hinter sich aufs Deck. Da ersticken sie schnell, Zeit für einen erlösenden Schlag bleibt nicht.
Auf Faials Nachbarinsel São Jorge, in der Fischfabrik Santa Catarina, lässt Redfern dann seinen Fisch verarbeiten. Aus etwa 2,5 Kilo schweren Fischen werden mindestens vier Jahre haltbare 160-Gramm-Konserven. Die Manufaktur gibt 137 Menschen Arbeit, darunter 109 Frauen, mittelgroß für Portugal, klein für Europa, aber der größte Arbeitgeber der Insel.
Zunächst werden die Fische gekocht, das entzieht ihnen Wasser. Dann gekühlt und sorgsam in Handarbeit entgrätet und filetiert. Die Arbeiterinnen bekommen fünf Prozent mehr als den Mindestlohn in Portugal, bezahlt wird für 14 Monate. Für rund 740 Euro im Monat machen sie den Skipjack klein.
Anschließend werden die Stücke in ein Wirrwarr von Fließbändern geschickt, an deren Ende eine Konserve von Fish4Ever herauskommt.
2000 Tonnen Azoren-Fisch kommen hier pro Jahr in die Dose. Ein Fisch passt in sechs bis zehn Konserven, denn nur 40 Prozent seiner Masse bleibt am Ende dieses Prozesses erhalten. 6o Prozent, Gräten, Kopf, Schwanz, werden zu Fischmehl verarbeitet.
Was alles so selbstverständlich und einfach klingt, ist ein Nischenmarkt. Weltweit werden nur vier Prozent des gesamten Fischfangs mit der Angel gefangen. Auch auf den Azoren habe sich diese Fangmethode erst durch zurückgekehrte US-Immigranten in den 1930er- bis 1960er-Jahren etabliert, erklärt Miguel Machete.
Der Meeresbiologe vom unabhängigen, regionalen Meeresforschungsinstitut Popa in Horta begleitet die Fischerei wissenschaftlich. „Für 21 Kilo Fang“, sagt der 46-Jährige, „wird bei Pole and Line nur ein Kilo Beutefisch benötigt.“ Ökologisch ein krasser Vorteil auch vor der Aquakultur, aus der weltweit inzwischen jeder zweite Fisch stammt. Denn hier wird bei der Produktion von Raubfischen ein Vielfaches an Futterfisch benötigt. Wie auch in den schwimmenden Gehegen von Thunfisch-Ranches, in denen gefangener Blauflossen-Thun wie Vieh bis zur Schlachtreife gemästet wird. Deren Fleisch würde Charles Redfern nie in seine Produktpalette aufnehmen, sagt er.
Redfern kommt nun auf die seit dem vergangenem Jahr laufende Netflix-Doku “Seaspiracy” zu sprechen, die hat ihn ziemlich aufgewühlt. „Well“, sagt er, da gebe es schockierende Wahrheiten zu sehen. Wie mächtige Konzerne mit massiven staatlichen Subventionen Todesfabriken unterhalten. Wie ihre riesigen Fangflotten mit Schleppnetzen den Meeresboden verwüsten. Wie industrielle Fischfabriken per Echolot, Radar und Hubschraubern ganze Schwärme von Thunfischen aufspüren, wie Treibnetze, groß wie Kathedralen, ganze Population bedrohen. Als Beifang Tonnen Haie, Delphine und selbst Wale töten. Die industrielle Fischerei sei das Problem, sagt Redfern. „Wir sind es bestimmt nicht.“
Aber wie kann man das unterscheiden? Jedem ethisch bewussten Verbraucher könne mit ein bisschen Recherche klar sein, dass viele „Nachhaltigkeits“-Siegel nichts wert seien, sagt der Brite. Etwa das beliebte Delphinfreundliche US-Logo. „Weil die nichts überprüfen.“ Auch nicht, ob die Thunfischbestände, auf deren Konserven das Logo prangt, längst überfischt seien. Redfern sagt, man habe das Logo schnell wieder von den Dosen genommen. Redfern ist jetzt richtig in Fahrt. Er habe „vergebliche Jahre damit verbracht, gegen das zu kämpfen, was wir als vorsätzliche Fehlinformation und Green- oder Bluewashing“ betrachten. Er sei enttäuscht, dass die „andere Seite“ in dem Netflix-Film gar nicht zu Wort gekommen sei. Die andere Seite, damit meint er sich selbst und seine Firma. „Seaspiracy“ sei nicht ausgewogen, „sondern ein veganer Film, der auch noch mit der Werbung für eine Fleischersatz-Firma endet“. Denn, so die radikale Kernaussage bei „Seaspiracy“: Esst keinen Fisch mehr! Aber soll das die Lösung sein?
Auf der anderen Seite der Marina da Horta machen die Segelboote von Atlantiküberquerern halt. Für sie ist Faial die letzte Tankstelle vor Amerika. Von hier sind es nicht ganz 2000 Kilometer bis zum äußersten Zipfel des kanadischen Neufundland, und etwa 1350 Kilometer bis zum westlichsten Punkt des europäischen Kontinents.
Wegen der vielen blauen Hortensienbüsche wird Faial auch Ilha Azul, blaue Insel, genannt. Ganzjährig ziehen hier, am Südrand des Golfstroms, auch viele Walarten wie Pott,- Sei- oder Blauwal vorbei, die Riesen wurden hier noch bis Mitte der 1980er-Jahre gejagt. Heute folgen ihnen nur noch Delphine. Und Touristen.
Die Zeiten haben sich geändert, zum Glück. Und: Klar sei auch Fish4Ever „ein kommerzielles Unternehmen“, sagt Redfern zum Abschied noch, „aber eines, das Gutes tun will“. Im Supermarkt von Horta kostet eine Dose Thunfisch aus industriellem Fang übrigens im Sonderangebot 49 Cent. „Thunfischfilets in Bio-Olivenöl“ von Fish4Ever bei Ursula Wagner in Dettenhausen bei Tübingen 3,99 Euro. Es ist der Preis für eine nachhaltige Fischwirtschaft, und wohl auch für ein besseres Gewissen.
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